Die Mutter tot, der Vater auf dem Sterbebett: Knüppeldick trifft es die Brüder Naia und Naiee zu Beginn der Ereignisse in Brothers: A Tale of Two Sons. Einzig und allein das „Wasser des Lebens“ kann zumindest den männlichen Elternteil noch vor dem Tode bewahren. Das lebensrettende Elixier gibt’s natürlich nicht in der örtlichen Dorfapotheke, die einzige Quelle befindet sich im weit entfernten, sagenumwobenen Lebensbaum. Von der Angst getrieben, nach der Mutter auch noch den Vater zu verlieren, macht sich das Brüderpaar kurzerhand dorthin auf den Weg. Eine wundersame, abenteuerliche und nicht zuletzt gefährliche Reise beginnt.
So viel zur Geschichte des Spiels, die mit kleineren Zwischensequenzen, Rückblenden und Traumbildern vorangetrieben wird, mit einer Spielzeit von 3-4 Stunden zwar vergleichsweise kurz ausfällt, dank charmanter Erzählweise und dichter Atmosphäre aber zu jeder Sekunde an den Bildschirm fesselt. Hervorzuheben ist dabei, dass Brothers: A Tale of Two Sons ohne echte Sprachausgabe auskommt. Die seltenen Dialoge, die zwischen den Brüdern und anderen Bewohnern der Spielwelt stattfinden, entpuppen sich als unverständliches Gebrabbel, dem lediglich anhand der Stimmlage eine grobe Bedeutung entnommen werden kann. Tatsächlich ist es die Gestik der verschiedenen Charaktere, der die meisten Informationen zum aktuellen Geschehen zu entlocken sind.
So ist Brothers: A Tale of Two Sons kein Spiel, von dem man sich nebenbei berieseln lassen kann. Viel mehr handelt es sich um ein Abenteuer, dass man am besten an einem Stück an einem verregneten Herbstabend genießen und mit hoher Aufmerksamkeit in sich aufsaugen sollte. Wem das gelingt, der wird mit einem Erlebnis belohnt, das die bedrückende Stimmung aus Limbo mit der mitreißenden Tragik von Ori the blind Forest kombiniert und um eine dezente künstlerische Note erweitert. Am Ende lebt der Titel von den Emotionen, die er in euch hervorruft.