Xbox 360: Kolumne: Hey, Cheater an die Wand!

Beim Fußball werden „unparteiische“ Schiedsrichter bestochen, ein gewisser Umwelt-Minister veruntreut angeblich kurzerhand 50.000 Euro Steuergelder, um sich eine Spritztour nach Mallorca zu gönnen, und in Klausuren werden Spickzettel an alle erdenklichen Körperregionen geheftet und während Klassenarbeiten herumgereicht, dass selbst pädagogische Lehrkräfte mit langjähriger Erfahrung den Überblick verlieren. Betrogen wird überall in unserer Gesellschaft.

Aktuellste Fälle sind hin und wieder in der Online-Gaming-Szene zu erkennen, wo vor einigen Jahren der Counterstrike-Spieler des mittlerweile aufgelösten PC-Clans Pro-Gaming „pg|Eddy“ des Cheatens beschuldigt wurde. In gewerteten Clan-Matches soll er angeblich von einem sogenannten Wallhack Gebrauch gemacht haben. Pixelgenaues-Aiming und das vorzeitige Erfassen der Gegner hinter Wänden waren damit problemlos möglich und machten diesen Vorfall seinerzeit zum größten Skandal in der Videospiel-Geschichte. Die Folge war ein Aufruhr, der so bedeutungsvoll war wie die beispiellose Abdankung von Ex-Kanzler Gerhard Schröder im Jahr 2005.

Konsolen-Spiele blieben von solchen Eingriffen bislang weitestgehend verschont. Die Frage nach dem „warum“ ist ziemlich simpel zu beantworten. Man muss dazu kein Hardware bzw. Software-Experte sein, der Grund liegt im Quellcode der Spiele bzw. der Konsole. Auf dem PC ist es schnörkellos möglich, Dateien zu modifizieren und Schummel-Programme im Hintergrund laufen zu lassen, auf Konsolen ist dieses Vorhaben weitaus komplizierter. Verantwortlich ist dafür das omnipräsente Dashbord, das von Grund auf Funktionen explizit vorschreibt. Das „Schummeln“ im klassischen Sinne ist damit für viele Spieler ein rotes Tuch, das Analysieren der komplexen Dashbord-Software steht in keiner Relation zum potentiellen Resultat – eben um online Cheats zu verwenden.

Auf der Xbox 360 dominieren gänzlich andere Apparaturen. Hier geht es um den Gamerscore. Die moralisch verwerfliche Frage „Wer hat den Längsten?“ hat die Spieler seit der ersten Minute gepackt und selbst Casual-Gamer zu verbissenen Dauerzockern konvertieren lassen. Tausende von Spielern machen seither Jagd auf die begehrten Punkte, von denen es pro Spiel 1000 zu ergattern gilt. Ein neuer Trend machte sich erkennbar. Schnell witterten Unternehmen ein Milliardengeschäft. Vielbeschäftigten, die dennoch mit einem möglichst hohen Gamerscore protzen wollen, wurde angeboten, die „Arbeit“ für sie zu übernehmen – gegen ein gewisses Entgelt versteht sich. Dass diesen Unternehmen in Bälde die Insolvenz drohen könnte, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzusehen. Auch mittels Savegames hatten private Burnout Revenge-Spieler vor einiger Zeit die Möglichkeit, unkompliziert die volle Ladung Gamerpoints abzugreifen.

Was viele allerdings nur subtil vernahmen, war die Tatsache, dass Account-Sharing gegen Microsofts Xbox Live-Vertragsrichtlinien verstößt. Nachdem die Remonder in der Vergangenheit noch ziemlich locker mit solchen Sünden umgingen und man lapidar darauf hinwies, dass beim Herausgeben seiner Daten die Gefahr des Account-Stehlens bestehe, wurde mittlerweile ein harscher Ton angeschlagen. Denn seit dem 25. März 2008 billigt auch Microsoft solchen Betrug nicht mehr und stellt die Halunken an den virtuellen Pranger. Wer beim Punkteschummeln nachweisbar und offensichtlich ertappt wird, muss künftig mit drastischeren Maßnahmen rechnen. Einerseits wird der Account mit einem unschönen „Cheater-Schriftzug“ versehen, zum anderen wird man die zuvor errungenen Erfolge nicht erneut freischalten können. Allerdings wird man auch künftig die Möglichkeit haben, auf faire Weise Gamerscore freizuspielen. Ein nicht unbedeutender Mitverursacher für Microsofts Schritt war sicherlich die illegale Beschaffung diverser Beta-Versionen. Per Trick war es bisher problemlos möglich, Beta-Versionen von „CoD 4“ oder „Battlefield: Bad Company“ Spielern ohne offiziellen Beta-Key zugänglich zu machen.

Ertappte Cheater-Accounts werden in der Folge auf Xbox.com als solche gebrandmarkt (Beispiel). Und sein wird doch mal ehrlich? Wer will schon einen Schriftzug „They’ve been caught cheating“ unübersehbar in seinem Profil stehen haben? Wir meinen: Ein sinnvoller Schritt von Microsoft, um das Gleichgewicht der berühmten Gamerpoints wieder ins rechte Lot zu bringen und gleichzeitigt den fairen Gamerscore-Jägern gerecht zu werden. Wie sagte der schottische Schriftsteller und Poet Robert Burns noch gleich: „Setze auf die Ehrlichkeit und scheue keine Arbeit.“ Der Hobby-Musiker Jan Hegenberg brachte die Cheater-Hysterie übrigens auf den Punkt. Sein Song „Hey, Cheater an die Wand“ erlangte Kultstatus und öffnete vielen Schummlern die Augen. Ein Kulturgut, das sich kein Videospieler entgegen lassen sollte.

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Patrick Schröder
25.03.2008 : Patrick Schröder