Wolfenstein II: The New Colossus : Die hochrangigste Offizierin Frau Engel im Rampenlicht + Teaser-Trailer

Die Verantwortlichen rund um den kommenden Shooter Wolfenstein II: The New Colossus haben heute nicht nur einen brandneuen Teaser-Trailer veröffentlicht, sondern auch Unmengen an wissenswerten Informationen zu Frau Engel, der hochrangigsten Offizierinnen des Regimes.


Freiheit" ist nicht unbedingt ein Begriff, den man mit Frau Engel in Verbindung bringen würde. Schließlich ist sie eine der hochrangigsten Offizierinnen des Regimes, das im alternativen Setting von Wolfenstein II: The New Colossus die Welt erobert hat. Die abgrundtief böse Schurkin jagt B.J. Blazkowicz durch die vom Regime besetzten Vereinigten Staaten. Doch für Creative Director Jens Matthies ist ausgerechnet "Freiheit" ein typisches Merkmal der niederträchtigen Antagonistin.

"Ihr Charakter entspricht einer faschistischen Ideologie", so Matthies, "Wenn du in einer solchen Umgebung erfolgreich bist und befördert wirst, erlangst du persönliche Freiheiten auf Kosten anderer. Du stehst über allen und befindest dich im Prinzip in diesem ständigen Machtrausch."

Matthies bezieht sich auf B.J.s erste Begegnung mit Frau Engel in MachineGames' Debütspiel Wolfenstein: The New Order (2014). In dieser angespannten Szene treibt Frau Engel ein tödliches, aber dekadentes Spiel. Sie behandelt B.J. wie ein unbedeutendes Spielzeug, das nach Belieben herumgeschubst und dann weggeworfen werden kann. "Darum ging es bei dieser Szene", erklärt Matthies, "Sie zeigt, was der Anreiz für Leute war, die solche Ideale voll unterstützten."

Frau Engel bekommt schließlich die Quittung (Warnung: Es folgen leichte Spoiler zum ersten Spiel). Als B.J. einem Gefangenenlager entkommt, wird sie schwer verletzt. Gegen Ende des Spiels muss Frau Engel machtlos ansehen, wie B.J. ihren jungen Liebhaber Bubi tötet. Mancher Bösewicht würde sich geschlagen davonschleichen, aber Frau Engels Entschlossenheit wurde durch diese Vorgänge nur gehärtet.

"Ich finde, dass es ein sehr wirksamer Moment ist, wie sie mit ihrem entstellten Gesicht auf einen zu kriecht und dabei Rache schwört", meint Matthies, "Wenn du die Königin deines eigenen Königreichs bist und dann dein Status infrage gestellt wird, willst du deine Krone natürlich zurückgewinnen. Das treibt ihren persönlichen Rachefeldzug gegen den Widerstand und insbesondere B.J. Blazkowicz an."

Rache ist die beste Medizin

Einige Jahre später kehrt Frau Engel als Oberbösewichtin in MachineGames' Wolfenstein-Fortsetzung zurück. "Es war schon immer unser Plan gewesen, sie im ersten Spiel aufzubauen, damit der Spieler einen Bezug zu ihrem Charakter hat, und sie dann als Hauptbösewicht in The New Colossus zu verwenden", erklärt Matthies.

"Frau Engel ist jetzt auf der Jagd nach euch", so Executive Producer Jerk Gustafsson, "Sie verfügt über diese riesige fliegende Festung namens Ausmerzer, mit der sie euch aufspürt." Das Spiel beginnt dann auch prompt mit einem schwer angeschlagenen B.J. in der Krankenstube der Hammerfaust, dem U-Boot-Hauptquartier des Widerstands. Frau Engel bläst zum Angriff – und es folgt eine epische Rollstuhl-Kampfsequenz, die in der ersten Begegnung der beiden Todfeinde in The New Colossus gipfelt. In anderen Schlüsselmomenten des Spiels wird der Ausmerzer am Himmel erscheinen und dann "wird die Sache noch viel furchterregender", verspricht Matthies.

"Blazkowicz ist eine Symbolfigur des Widerstands, das Regime kann ihn also nicht frei herumlaufen lassen. Sie nennen ihn Terror-Billy, weil er ihnen immer wieder in die Quere kommt", meint Senior Game Designer Arcade Berg, "Frau Engel hat nicht nur den Auftrag, ihn auszuschalten, sie will sich auch aus persönlichen Gründen an ihm rächen."

Schauspielerische Herausforderung

Auch ohne fliegende Festung wirkt Frau Engel bemerkenswert bedrohlich. Und das liegt nicht nur am Drehbuch: Matthies betont, welch großen Anteil die Schauspielerin Nina Franoszek daran hat, Frau Engel zum Leben zu erwecken.

"Als wir diese Szenen schrieben, wirkten sie schon auf dem Papier gut", erinnert sich Matthies, "Aber vieles entwickelte sich auch in der Zusammenarbeit mit Nina. Ich glaube, dass sie zunächst etwas mit dieser Rolle zu kämpfen hatte. Aber dann war da dieser Schlüsselmoment, in dem sie nachvollzog, um was es bei diesem Charakter geht, und dann hat es einfach Klick gemacht. Und ihre Darbietung war einfach großartig. Was Nina zu Frau Engel beigetragen hat, brachte den Charakter auf ein ganz neues Niveau."

(Anmerkung: Frau Engel wird in der deutschen Version von Tina Eschmann synchronisiert, doch Nina Franoszek legte mit ihrer Performance-Capture-Darbietung und ihrem Stimmcharakter die Grundlage für die Spielfigur.)

Franoszek räumt ein, dass sie zunächst gezögert hatte, diese Rolle anzunehmen. Das lag zum Teil daran, dass sie keine Erfahrung mit Videospielen hatte und nicht so recht wusste, was sie erwarten sollte. "Ich war mir nicht sicher, ob ich in einem Videospiel auftreten wollte", erinnert sie sich, "Aber das Drehbuch hat mich völlig überzeugt. Ich hatte das Gefühl, als würde ich Inglourious Basterds lesen. Es war umwerfend."

Beim Vorsprechen las Franoszek Drehbuchtexte mit Matthies (sie lacht: "Jens verriet mir später, dass meine Darbietung ihm Angst eingejagt hat"). Danach konnte sie einen Blick auf Zwischensequenzen und Grafiken des Spiels werfen – und war voll überzeugt. Nun begann die eigentliche Arbeit.

"Ich konnte Frau Engel analysieren und sie als Psychopathin und Sadistin sehen", meint Franoszek, "Mich in diese Rolle hineinzuversetzen war schwierig, denn ich habe nichts Sadistisches in mir." So begann Franoszek, von außen nach innen zu arbeiten und recherchierte alles Mögliche, von Wachen in Gefangenlagern bis hin zur Stimme der Punkrockerin Nina Hagen. Bald wusste sie, welche Stimmart sie dem Charakter geben wollte, aber das war für die Schauspielerin noch nicht genug: "Ich fühlte mich noch nicht richtig verbunden", erklärt Franoszek, "Du kannst echt üble Zahnschmerzen haben und diesen Ärger nutzen, aber das sind nur Tricks."

Dann probte sie eine Szene des ersten Spiels. Ein Zug hält am Lager Selo, in das die Gefangenen getrieben werden. Ein Mann will Frau Engel einen weinenden Säugling anvertrauen, in der Hoffnung, dass sie dem Kind helfen würde. Doch Frau Engel ist regelrecht angewidert und schlägt auf den Gefangenen ein, weil der es wagte, ihr das heulende Kleinkind zu überreichen. "Das war die Schlüsselszene", meint Franoszek, "Wie könnte ich nur so etwas tun?"

Doch Franoszek war vorbereitet. Sie wusste, wie man eine Kommandantin, eine Psychopathin, eine Narzisstin, eine Sadistin spielt. Sie wusste, wie es sich anfühlt, wenn man den Lärm um sich einfach nur zum Verstummen bringen will, wie jemand, der einen klingelnden Wecker gegen die Wand schmeißt. So gab sie bei einer Probe ihr Bestes – und da hat es geklickt.

"Ich machte es und fühlte mich wie eine Göttin", so Franoszek, "Wenn du etwas derart Böses tust und nicht dafür bestraft wirst, beschert es dir einen Machtrausch, ein High. Das treibt Frau Engel an: Ich kann jedem die bizarrsten, beschissensten Dinge antun und geile mich daran auf, dass nichts passiert, dass niemand mich stoppen kann. Das war der Knackpunkt."

So tickt ein Superschuft

Frau Engels Allmachtgefühl wurde im ersten Spiel natürlich von B.J. erschüttert, aber das machte sie nur stärker. Vor allem wurde ihre Beziehung zu B.J. sogar noch stärker.

"B.J. ist ihr Feind, aber in gewisser Hinsicht ist er auch ihr neuer Geliebter", analysiert Franoszek, "Sie braucht einen guten Partner, denn wenn du ohne jegliche Gegenwehr töten kannst, ist das so, als würdest du auf ein paar Kakerlaken treten: Es macht wenig Spaß, weil sie so schwach sind. Frau Engel braucht also einen sehr starken Partner, damit die Jagd niemals aufhört. Denn wenn sie nicht B.J. jagt, ist sie mit sich selbst und ihren Gefühlen allein – und das kann sie nicht zulassen."

Und obwohl Frau Engel so abgrundtief böse ist, wirkt sie wie ein seltsam sympathischer Bösewicht. Weshalb wir uns fragen, ob Franoszek versucht hat, an dem Charakter etwas Attraktives zu entdecken, um es bei ihrer Darstellung zu berücksichtigen?

Die Schauspielerin verneint. Frau Engel mag emotionell verkorkst sein, aber sie hat etwas auf ihrer Seite, das im Laufe der Geschichte viele der "guten Leute" verlockend fanden, die bösen Regimes gefolgt sind: Der feste Glaube an das, was man tut.

"Frau Engel ist der Überzeugung, dass sie die Welt von einem Übel befreit", meint Franoszek, "Wenn ich sie spiele, dann sehe ich nichts Böses. Meine Taten lassen sich rechtfertigen, ich folge einer Ideologie. Ich glaube wirklich daran, dass mein Weg der richtige Weg ist." Diese tiefe Überzeugung macht sie zu so einer fesselnden Schurkin, denn aus Frau Engels Perspektive ergibt alles Sinn und passt in eine klar definierte Weltanschauung.

Matthies stimmt zu: "Als Autor musst du dich immer auf die Seite des Charakters stellen, für den du gerade schreibst. Ich denke, dass gilt für alle unsere Figuren. Wenn wir also Frau Engel schreiben, denken wir dabei an ihre Agenda und ihre Interessen. Das hat einen tollen Nebeneffekt: All unsere Charaktere sind jederzeit die stärksten Befürworter ihrer jeweiligen Anschauungsweise."

Es hilft auch, dass Franoszek zurückkehrt, um denselben Charakter wieder zu spielen, denn ihre Darbietung wird mit jedem neuen Spiel besser. "Als wir am Schreiben waren, wussten wir, was Nina zu The New Colossus beitragen wird", meint Matthies, "Wir hatten Szenen auf Papier, die wir bereits für außergewöhnlich stark hielten. Dann kam Nina mit zusätzlichen Ideen an und wir erreichten ein ganz anderes Niveau. Ich bin unglaublich zufrieden mit dem, was am Ende dabei herausgekommen ist."

Und diese starke Darbietung macht sich bemerkbar – egal, ob ihr Wolfenstein: The New Order kennt oder nicht. "Bei der Produktion von The New Colossus sind wir nicht davon ausgegangen, dass jeder den Vorgänger gespielt hat", so Matthies, "Deshalb gibt es eine ganze Anzahl von Einführungssequenzen – und ich denke, dass Frau Engels Vorstellung ganz besonders im Gedächtnis bleiben wird."
19.09.2017 : Thomas Brüser