Fallout 4: Entwickler geben Auskunft: Die Entstehung des Automaten "Codsworth" im Details

Die Macher des Rollenspiels Fallout 4 haben rund zehn Tage nach dem offiziellen Release einen überaus interessanten Artikel über die Entstehung des Automaten "Codsworth" veröffentlicht. Warum der Sprecher Stephen Russell beim Ihm also nicht an eine Blechkiste oder einen einfachen Roboter denkt, erfahrt ihr gleich im Anschluss dieser Zeilen.


"Für mich war es am einfachsten, ihn als fühlendes Wesen zu behandeln, das Freude und Ärger, Schmerz und Zuneigung, Zorn, Heiterkeit und Erschöpfung empfindet", so Russell. "Er hat ein wirklich großes Herz."

The Eyes Have It

Was trägt Codsworth im Herzen? Und wie hat sich besonders dieses Modell seit Fallout 3 verändert? Bevor wir uns dieser Frage widmen, sollten wir den Bot zunächst einmal ganz allgemein betrachten. "Das Design von Mister Handy bringt schon viel Persönlichkeit mit sich", erklärt Senior Character Artist Dennis Mejillones. Unser Haushaltshelfer kann in der Tat auf eine ziemlich umfassende Geschichte zurückblicken, die bei den Fans sehr beliebt ist. Abgesehen von seinen bisherigen gefeierten Auftritten wurden tatsächlich alle Roboter des Fallout-Universums so entworfen, dass sich das Fiktive absolut funktionell anfühlt. Bei der Entwicklung der Roboter in Fallout 4 hatte Mejillones stets eine Frage im Hinterkopf: Wie würden diese Dinge in der echten Welt funktionieren?

Mejillones ist Lead Artist Istvan Pely für einen Hinweis sehr dankbar, der besonders hilfreich war: "Es muss sich wie ein Haushaltsgerät anfühlen", so Mejillones. "Wie etwas, das man sich kaufen würde und gerne zu Hause hätte." Also nahm das Designteam ganz gewöhnliche Alltagsgegenstände für Inspirationen genau unter die Lupe, wie beispielsweise Toaster und Mixer. Einiges davon ist an Mister Handys Augen erkennbar. "Seine Augen sind den Lichtern eines Rollers aus den 1950ern nachempfunden", so Mejillones. "Dadurch strahlt er etwas Freundliches aus."

Doch diese Augen sehen nicht nur freundlich aus. Sie bringen auch Codsworths verschiedene Emotionen im Spiel zum Ausdruck. Zunächst einmal sind die Augen groß, wodurch sie weniger bedrohlich wirken. "Große Rehaugen lassen ein Wesen niedlicher aussehen", weiß Mejillones. "Je kleiner das Auge, desto bedrohlicher wirkt das Wesen – besonders Maschinen. Kleine Augen wirken sehr raubtierhaft."

Aber nicht nur die Größe der Augen spielt eine Rolle. Neben allen möglichen geometrischen Elementen, die in den Augäpfeln zu finden sind, versah Mejillones jedes Auge mit einer Iris. "Seit sich die Iris beim Fokussieren auf den Spieler öffnet oder schließt, ist der gesamte Charakter des Roboters sichtbar", fügt er hinzu. Das war besonders wichtig, da Codsworth keinen richtigen Mund besitzt, sodass die Augen seine gesamten Gefühle zum Ausdruck bringen müssen. "Er kann mithilfe der Linse sogar fast den Kopf schief legen, das ist sehr gut zu erkennen." Das Animationsteam hat sich zu den einzelnen Augen etwas einfallen lassen. Zum Beispiel bewegt sich eines nach vorne oder die anderen beiden nicken, um einen freundlichen Eindruck zu vermitteln. "In seinen Augen kann man alles erkennen", so Mejillones. "Sie machen ein lebendiges Wesen aus ihm."

Von außen nach innen

Abgesehen von den Augen profitiert Codsworth auch von seiner Körperform. "Er ist eine Kugel", so Mejillones. "Als Kind spielt man mit dem Ball. Alle mögen das!" Selbst die gefährlichen Elemente in Mister Handys Design sind so entwickelt, dass sie möglichst unbedrohlich wirken. Die Flammenwerferkanister sind beispielsweise grell gefärbt – als familienfreundliche Warnung, wodurch Codsworth dem Spieler nur noch mehr ans Herz wächst.

Während er äußerlich sehr liebenswürdig aussieht, kann Codsworth auch sehr bedrohlich wirken, wenn man ihn gegen sich aufbringt. "Im Allgemeinen gilt, dass Roboter vom Design her von außen nach innen gebaut werden", so Mejillones. Im Fall von Mister Handy bedeutet das, dass er mit seiner glänzenden, glatten und runden Schutzpanzerung sehr freundlich aussieht. Sobald diese Panzerung allerdings entfernt wird, hat er eine ganz andere Ausstrahlung. "Die Silhouette ändert sich vollständig. Aus einer Kugel werden scharfe Winkel. Da sind dann über all Drähte und Kabel", beschreibt Mejillones. "Man wird daran erinnert, dass es sich hierbei um eine erbarmungslose Maschine handelt."

Dieser extreme Unterschied ist bei allen Robotern ähnlich. "Sehen wir uns mal den Wachbot an. Der ist bereits unheimlich, selbst mit seiner Panzerung drauf", so Mejillones. Schießt man ihm aber seine Panzerung weg, sieht er erst richtig furchterregend aus!"

Trotzdem ist Codsworth weit mehr als eine reine Ansammlung von Teilen und Drähten. Er ist eine richtige Persönlichkeit, die Mejillones' Meinung nach in jedem Fall charmant gewesen wäre, wie auch immer sie letztendlich ausgesehen hätte. "Es hat fast keine Rolle gespielt, was ich entworfen habe, denn Stephen Russell verleiht dieser Rolle so viel Charakter", erklärt Mejillones. "Es hätte auch eine kleine Kiste mit seiner Stimme sein können, die man am liebsten mitgenommen hätte, um ihm den ganzen Tag lang zuzuhören."

Emotionale Rettung

Russell wiederum schreibt Lead Designer Emil Pagliarulo große Verdienste zu, dass dieser Charakter so zum Leben erweckt werden konnte. "Emil hat ein tolles Ohr für Dialoge", so Russell. Er weiß, wie Leute klingen, wenn sie reden. Gut geschriebene Dialoge sprechen sich fast von alleine. Wenn ein Dialog gut fließt und schon einigen Witz enthält, ist das ein tolles Sprungbrett für die eigene Kreativität und Verspieltheit."

Im Vergleich zur Rolle von Mister Handy in Fallout 3 sieht Russell Codsworth nun als einen voll entwickelten Charakter, der ein wenig erwachsener geworden ist. "Diesmal gibt es eine viel größere Bandbreite an Emotionen", sagt er. "Außerdem bekommt man das Gefühl, dass er eine bestimmte Weltsicht und bestimmte Moralvorstellungen hat, die über das hinaus gehen, wozu er ursprünglich programmiert worden war. Er ist wirklich eine sehr starke Persönlichkeit."

Und diese Persönlichkeit kann bereits am Anfang des Spiels beobachtet werden, als der Einsame Wanderer kurz nach dem Verlassen von Vault 111 Codsworth zum ersten Mal wiederbegegnet. Codsworth ist verwittert, abgenutzt, müde. Seine Stimme bricht. Er ist sehr erfreut, wieder mit seiner Familie vereint zu sein. Doch seine Müdigkeit ist offensichtlich und der Augenblick ist sehr melancholisch.

"Das Sprechen dieser Szene war sehr emotional", erinnert sich Russell. "Hier zeigt sich Codsworths Herz wirklich. Dieser Charakter ist sehr stolz, aber im besten Sinne dieser Welt. Er nimmt seine Arbeit sehr ernst und seine Zuneigung und Verbundenheit mit seiner Familie ist unerschütterlich. Manchmal kann er allerdings auch sehr scharfzüngig sein."

Auf jeden Fall ist er ein großartiger Freund des Einsamen Wanderers und einer von Dutzend möglichen Begleitern in Fallout 4. Für Mejillones ist er jedoch die einzige Wahl. "Ab dem Moment, wo ich ihn als meinen Begleiter haben kann, ist er mein Begleiter", so Mejillones. "Denn wenn ich was auf die Mütze kriege und er mich mit seinen Flammenwerfern und Sägen rettet, hat das für mich etwas von: Du hast deinen Daddy gerettet. Er kritisiert manches, was ich tue. Wir sind uns nicht immer einig. Aber das ist in Ordnung so. Damit kann ich leben."
19.11.2015 : Thomas Brüser