Fallout 4: Alles Wissenswerte zur musikalischen Untermalung im Rollenspiel Fallout 4 + Hörprobe

Eine überaus große Rolle wird die musikalische Untermalung im kommenden Rollenspiel Fallout 4 einnehmen. Aus diesem Grund haben die Entwickler nun wenige Tage vor dem Release (10.11.2015) einen ausführlichen Bericht über die Musik in Fallout 4 samt diverser Hörproben veröffentlicht. Viel Spaß!


Musik ist Trumpf in Fallout 4

In allen Fallout-Spielen nimmt Musik eine Schlüsselrolle ein, und das aus gutem Grund. Musik hilft den Menschen dabei, sich auszudrücken. Musik kann den Ton für eine Erfahrung angeben. Musik fängt den Geist einer Zeit ein. Kurz gesagt: Musik hat für den Spieler immer eine Signalwirkung. Sie erinnert ihn an das wann und wo.

Das ist besonders wichtig, wenn man durch das Ödland marschiert. Denn Fallout 4 ist eine Spielerfahrung voller nostalgischer Gefühle – einerseits für frühere Fallout-Titel, andererseits für die Welt vor dem Atomkrieg. So wie ein Oldtimer oder ein Röhrencomputer einen auf der Stelle neugierig darauf macht, wie es früher wohl gewesen sein könnte, so kann auch die richtige Musik jede Menge Gefühle auslösen. Manchmal ist die Nostalgie positiv, doch wenn sie einen vor dem Hintergrund einer postapokalyptischen Landschaft ereilt, mischt sich schnell eine gehörige Portion Wehmut mit hinein. Ein trauriger Song über eine verlorene Liebe mag die Spieler daran erinnern, was sie selbst alles verloren haben – und was sie gewinnen können, wenn sie nicht aufgeben. Und manchmal ist ein schmissiger Oldie der perfekte Soundtrack, wenn man (um bei den Worten des folgenden Videos zu bleiben) etwas Chaos stiften will.

Deshalb dreht Fallout 4 richtig auf – sowohl, was die Lautstärke als auch die Vielzahl der Stücke angeht. Verglichen mit Fallout 3 steckt nun dreimal soviel Musik im Spiel. Die sorgfältig ausgewählten Titel bilden den Kern dessen, was Fallout ausmacht – und Fallout 4 bietet allen Spielern ein noch tiefer gehendes Klangerlebnis im bislang wohl ambitioniertesten Spiel von Bethesda Game Studios.

Woraus genau setzt sich der Soundtrack zusammen? Nach Audio Director Mark Lampert sind das dreierlei Teile. Ein Drittel der Musik hat jeder schon einmal gehört – etwa Bing Crosbys größte Hits. "Wir hatten zu Beginn fast zu viel Bing", lacht Lampert. "Man könnte den gesamten Soundtrack des Spiels damit bestreiten, wenn man wollte." Das nächste Drittel sind etwas weniger bekannte Titel großer Künstler, etwa "Orange Colored Sky" von Nat King Cole. Und das letzte Drittel? Hier geht die Post so richtig ab, denn das sind oft obskure Stücke lange vergessener Bands, mit teils absurden Texten und ganz eigenem Sound. "Ich frage mich, ob jemand, der mit diesen Bands zu tun hatte, ihre Musik in Fallout 4 hören wird", sagt Lampert. "Wer weiß, wann die Titel zuletzt im Radio gespielt wurden?"

Der Ton macht die Musik

Als es darum ging, die finalen Songs für den Soundtrack auszusuchen, wussten sowohl Mark Lampert als auch Game Director Todd Howard genau, was sie wollten. Zuallererst, so Howard, musste ein Stück der Ink Spots her. Denn The Ink Spots sind seit dem Titeltrack "Maybe" im ersten Fallout ein fester Bestandteil der Serie. "Man muss den Trailer einfach damit beginnen", sagt Howard. "Das gehört einfach zu Fallout dazu."

Deshalb war "It's All Over But the Crying" auch das erste Stück, das Howard für Fallout 4 auswählte. Er platzierte den Song zudem im Ankündigungs-Trailer, um so die perfekte Fallout-Atmosphäre zu schaffen. Gleichzeitig rief er nostalgische Gefühle für längst vergangene Zeiten und frühere Teile der Serie hervor. Aber nicht nur der unverkennbare Riff der Band lag Howard am Herzen – der Titel beschreibt auch den etwas hoffnungsvolleren Geist von Fallout 4. "Das Stück ist schon sehr traurig", sagt Howard. "Aber was es zu einem einzigartigen Song der Ink Spots macht, ist die zweite Hälfte – die ist nämlich extrem lebhaft. Fast, als würde man sagen: 'Nun, es ist alles vorbei, also lasst uns weiterziehen!' Das Ende ist sehr spaßig, man kann fast dazu tanzen."

Was den Rest des Soundtracks angeht, so arbeiteten Todd Howard und Mark Lampert für die Songauswahl mit Chris Parker zusammen – einem der Gründer der Musik-Lizenzagentur Brandracket. "Wir wollten mehr frühen Rock 'n' Roll haben", sagt Lampert. "Chris hat Musik aufgetan, die ich noch nie zuvor gehört hatte – viel weniger im Mainstream verwurzelt. Er trieb Künstler auf, die insbesondere über Uran und Radioaktivität gesungen haben. 'Atom Bomb Baby' ist ein Paradebeispiel dafür."

Wie Mark Lampert erklärt, sind die Texte dieser Stücke geradezu naiv – als wenn sie von Kindern geschrieben worden wären, die mit etwas spielen, von dem sie keine Ahnung haben. Als diese Songs seinerzeit veröffentlicht wurden, war die Gesellschaft von einem utopischen Optimismus getrieben – ein starker Gegensatz zur apokalyptischen Natur weltenzerstörender Atomwaffen. "Als wäre es für sie einfach ein riesiger Spaß gewesen", sagt Lampert. Und das spiegelt sich eben in den Texten der damaligen Popmusik wieder.

Die passende Musik

Aber mit so viel neuer Musik – und der Tatsache, dass Fallout 4 die bisher größte Spielwelt eines Titels der Bethesda Game Studios besitzt – bleibt die Frage: Wie hat das Team es hinbekommen, dass die lizenzierten Stücke nicht nur die richtige Atmosphäre erzeugen, sondern einem nach Hunderten von Spielstunden nicht zu den Ohren heraushängen? Das sollten interne Tests zeigen. Nach einer ersten Zusammenstellung passender Titel stellte sie sich Todd Howard in einer Playliste zusammen. "Die habe ich mir von morgens bis abends bei der Arbeit angehört", sagt er. "Nur die Musik, ohne den DJ." Ein paar Stücke wurden schnell nervig. Andere waren zu melancholisch. Wieder andere waren zu lang und hätten deshalb nicht mehr zum Spielverlauf gepasst. Sie alle flogen aus der Playliste. Und durch das Nonstop-Anhören der restlichen Tracks kam das Team schließlich auf die richtige Mischung von Songs, die sich frisch anhören und zur Stimmung des Spiels passen – egal, was man im Ödland gerade so macht.

Für Mark Lampert hat die Musik von Fallout 4 geradezu hellseherische Fähigkeiten, das Spielgeschehen zu kommentieren. "Es gab Momente, in denen ich mich für einen gewaltigen Kampf gerüstet habe, und was höre ich da? Richard Wagners 'Walkürenritt'", erinnert er sich. "Und dann gibt es viel ruhigere, entspanntere Titel, die zu nächtlichen Aktionen passen, wenn man gerade nicht mit bestimmten Dingen beschäftigt ist." Doch egal, ob ein Spieler den richtigen Song zur richtigen Zeit hört: Es gibt eine große Musikauswahl, aus der man sich je nach Laune bedienen kann. Sei es Diamond City Radio, der Klassiksender oder ganz einfach der eigens komponierte Spiel-Soundtrack.



"Wenn ich genug von einer Musikrichtung habe, schalte ich einfach auf Klassik um – und wieder zurück", sagt Mark Lampert. "Zu jedem Zeitpunkt steht einem jede Menge Musik zur Auswahl."

Gestatten, Magnolia

In Fallout 4 gibt es noch eine Premiere: Musikstücke, die extra für das Spiel geschrieben und aufgenommen wurde – von einem sehr "heldenhaften" Superstar. Was die Frage aufwirft: Wie passt "neue" Musik in eine fiktionale Welt, deren lizenzierte Musik sie in unserer Wirklichkeit verankert?

Zuallererst gilt: Die Zeitline des Fallout-Universums biegt nach dem Zweiten Weltkrieg von der unsrigen ab. Einige Songs stammen aus der Zeit vor, einige aus der Zeit nach diesem Schritt weg von unserer Zeit. "Unsere Zeitlinien sind bewusst etwas unscharf gehalten", erklärt Mark Lampert. "Wenn der Text zum Spiel passte und uns der Song gefiel, dann landete er im Spiel – selbst, wenn er nicht ganz genau zur Zeit der Handlung passte."

Auftritt Lynda Carter. Sie spielte eine der legendärsten Fernsehheldinnen. Mit ihrer von den Kritikern gefeierten Band trat sie vor Staatshäuptern und Würdenträgern auf. Und jetzt hat ihr Wonder-Woman-Lasso sich eine weitere Trophäe geschnappt: einen Auftritt in Fallout 4, den Carter als einen der Höhepunkte ihrer illustren Karriere bezeichnet.

"Wir sind mit Lynda schon seit langer Zeit freundschaftlich verbunden", sagt Todd Howard. "Sie hat Sprachrollen in den meisten unserer Spiele übernommen. Viele Leute wissen nicht, dass sie eine wirklich fähige Sängerin ist. Mitglieder ihrer Band haben zahlreiche Grammys gewonnen. Sie geht noch heute mit ihr auf Tourneen – mit der Musik hat Lynda noch vor ihrer Film- und Fernsehkarriere begonnen. Zu Beginn der Arbeiten an Fallout 4 habe ich mich gefragt, ob Lynda nicht ein paar Stücke dafür beisteuern könnte. Denn Musik kann selbst ein Atomkrieg nicht stoppen."

Howard wollte die Möglichkeit erkunden, Musikstücke von jemandem aus der Spielwelt in den Soundtrack einzubauen – Musik, die sowohl zum Thema als auch zum akustischen Gesamtbild von Fallout 4 passt. "Lynda war Feuer und Flamme", sagt Howard. "Sie war richtiggehend begeistert. Und ihre Musik ist einfach großartig geworden."

Lynda Carter übernimmt die Rolle von Magnolia, einer Sängerin im Städtchen Goodneighbor. Das ist auch der Titel einer ihrer Songs, doch dazu später mehr. "Die Reisenden in Fallout 4 können sich bei ihrer Musik ein Stück erholen", sagt Carter über ihren Charakter. "Sie lieben es, sie singen zu hören." Doch wer glaubt, dass bei Magnolia nur eitel Sonnenschein herrscht, hat sich getäuscht. In ihrer Bar treffen sich die Mächtigen, und hier werden allerlei Deals geschlossen. "Sie kennt ihre Mitspieler ganz genau", sagt Carter. "Sie besitzt eine außerordentliche Menschenkenntnis. Sie ist wirklich sehr clever. Und sie macht, was sie macht, weil sie es liebt. Also ist die Musik auch ihr Zufluchtsort."

Was Carter-Fans besonders freuen wird: Sie übernimmt nicht nur eine wichtige Rolle im Spiel – ihre Musik erklingt auch während der Reise der Wanderer durch das Ödland. Ihre fünf eigens verfassten Titel gehören zu den Favoriten des DJs von Diamond City Radio, der auf charmant-schräge Weise das Spielgeschehen zwischen den einzelnen Tracks kommentiert.

Gute Nachbarn

Was die Zusammenarbeit mit Howard, Lampert und den anderen Designern der Bethesda Game Studios angeht, ist Lynda Carter voll des Lobes. "Todd hat viel Vertrauen in mich gesetzt, denn er hatte einige meiner früheren Titel gehört", sagt Carter. "Außerdem arbeite ich mit einem prämierten Komponisten und einem der berühmtesten Gitarristen aus Nashville zusammen." Dennoch freute es Carter, dass Howard all ihre Entwürfe gefielen, die sie ihm präsentierte.

"Todd sagte: 'Gib mir ein paar unterschiedliche Entwürfe, dann reden wir darüber'", erklärt Carter. Deswegen legte sie ihm eine Reihe unterschiedlicher Kompositionen vor: von einem Stück im ausgelassenen Stil der Andrew Sisters bis hin zu einem gehauchten, sehr sexy gehaltenen Song mit jeder Menge zweideutiger Anspielungen. "Ich wollte jedem Titel eine eigene Persönlichkeit verleihen, denn es kommt nicht so sehr auf das Genre an, sondern darauf, wie Magnolia ihn singt. Sie ist ihr eigenes Genre und ihre Persönlichkeit spiegelt sich in jedem Song wieder. Zuerst hatte ich gedacht, eine bestimmte Richtung einschlagen zu müssen, doch Todd gefiel jede Stilrichtung – das hätte ich nicht erwartet."

Auch Mark Lampert äußert sich ähnlich über die Zusammenarbeit. "Die Stücke waren alle viel schneller fertig, als ich gedacht hätte", sagt er. "Es ging mit ein paar E-Mails zwischen ihr und ihren Bandmitgliedern los. Wir gaben ihnen ein paar der Themen des Spiels, Beispiele für andere Titel, die man im Radio hören kann, um ihnen einen Eindruck der Ära und der Instrumentierung zu geben. Ich glaube, sie hatten es sich schwerer vorgestellt, etwas für ein Spiel zu schreiben – doch sie haben von Anfang an voll ins Schwarze getroffen."

Die meisten Lieder fügen sich nahtlos in die Zeit von Fallout 4 ein – oder könnten Teil eines heutigen Lynda-Carter-Konzerts sein. Carter plant auch tatsächlich, sie in ihr Repertoire einzubauen. Möglicherweise schaffen sie es sogar auf ein Album, denn sie passen sowohl ins Ödland von Fallout 4 als auch in unsere Welt. "Das war eins unserer Ziele", sagt Todd Howard. "Würde Lynda einen unserer Songs auf einem Konzert singen, dann würde es niemandem auffallen, dass er aus einem Spiel-Soundtrack stammt." Ein Titel ausgenommen: "Good Neighbor". Besitzen die anderen Stücke vage Anspielungen an das Ödland oder einen zeitgemäßen Text wie etwa "Atom Bomb Baby", sind sie in keinem so deutlich wie in diesem.

"Mark und ich diskutierten engagiert darüber, einen thematisch wirklich passenden Song einzubauen", erklärt Howard. "Goodneighbor ist der Ort im Ödland, in dem sie auftritt, und dort befindet sich auch ihre Bar. Also fragte ich Lynda, ob sie Lust auf einen etwas dreckigeren Unterton hätte ..."

Und dennoch klingt selbst "Good Neighbor" – den ihr euch jetzt anhören könnt – wie ein "echtes" Musikstück aus unserer Welt, auch wenn es darin um Kronkorken, Mutanten & Co. geht. Denn für Todd Howard und Mark Lampert geht es darum, mit dem Soundtrack die richtige Atmosphäre zu erschaffen, eine einzigartige Stimmung zu erzeugen, und so den Spielern Musik zu liefern, die einerseits wie die Faust aufs Auge des Ödlands von Fallout 4 passt, andererseits aber auch perfekt zu den anderen lizenzierten Musikstücken passt.



Was Lynda Carter angeht, so hofft sie, dass ihre Songs den Leuten so viel Spaß beim Anhören bereiten, wie sie ihn beim Schreiben hatte. "Darin steckt wirklich jede Menge Herzblut", sagt sie. "Ich fühle mich geehrt und bin absolut begeistert, wie sehr Todd und sein Team an mich geglaubt haben. Ich bin wirklich sehr dankbar für diese Gelegenheit – ein Teil eines so kreativen Teams zu sein, ist wirklich ein Highlight meiner Karriere."
03.11.2015 : Thomas Brüser