Test: Homefront

Fleißige XboxFRONT-Leser werden es sicherlich mitbekommen haben: Ende letzten Jahres änderte THQ seine Marktstrategie, radikal! „Schluss mit den Kinderspielen“ lautet die neue Devise, Spongebob, Barbie und Avatar haben ausgedient. In Zukunft sollen hauseigene Marken wie Red Faction und Saint’s Row das Firmenbild des Publishers prägen, dünnblütige Kinoversoftungen der Vergangenheit angehören.

Den Anfang in der Reihe der Spiele, die THQ in Zukunft zu neuem Image verhelfen und an Erfolge vergangener Tage anknüpfen lassen sollen, macht der EgoShooter Homefront. Dieser ist seit heute im deutschen Handel erhältlich und bereits vor einigen Tagen in unserem Testlabor eingetrudelt. Warum wir denken, dass Homefront die Grenzen des guten Geschmacks überschreitet und wie eine kaltblütige Aneinanderreihung gnadenloser Grausamkeiten wirkt, verrät unser Test.
Ding-Dong! Wichtige Durchsage an den kleinen Timmie: Deine Eltern warten am nächsten Massengrab!
Zugegeben, an emotionalen Kontroversen mangelt es Homefront wahrlich nicht. Das ist aber auch kein Wunder, wenn die ersten fünf Spielminuten zu 50 Prozent aus der Darstellung öffentlicher Hinrichtungen unschuldiger Zivilisten bestehen. Aber der Reihe nach:

Die Singleplayer-Kampagne von Homefront spielt im Jahr 2027. Eine jahrelange Energiekrise hat der Erde und ihren Wirtschaftssystemen merkbar zugesetzt. Die Vereinigten Staaten haben ihre Stellung als Weltmacht verloren und sind Opfer eines nordkoreanischen Angriffs geworden. Strom- und Datennetzwerke wurden durch eine elektromagnetische Pulswaffe (EMP) außer Gefecht gesetzt, Infrastruktur und militärische Streitkräfte sind zerstört. Es ist allein ein kleiner ziviler Widerstand, der sich der unaufhaltsam scheinenden Invasion entgegen zu stellen versucht und sich erbitterte Straßenschlachten mit der nordkoreanischen Armee liefert. Der Spieler schlüpft natürlich in die Rolle eines Aufständischen und versucht das Schicksal Nordamerikas noch zum Guten zu wenden.

Nun lässt das klischeebehaftete Szenario, das dem aktuellen, realen Feindbild der USA von der bedrohlichen Atommacht Nordkorea verdächtig stark ähnelt, zweifellos keine Zeit für harmonische Kaffeekränzchen im idyllischen Hinterhof einer amerikanischen Vorstadtsiedlung. Das müsste es auch gar nicht, schließlich sind wir nicht zartbesaitet. Allerdings fragen wir uns doch eindringlich, mit welcher Rechtfertigung die Kaos Studios – das verantwortliche Entwicklerstudio – den Spieler „quasi im Vorbeifahren“ mit der Exekution eines Elternpaares im Beisein des Sohnes im Kindergartenalter konfrontieren. Welche Emotionen dabei hervorgerufen werden sollen, sich inmitten eines Massengrabes unter den verwesenden Leibern hunderter Leichen vor feindlichen Truppen zu verstecken, ist uns ebenfalls schleierhaft und des „Guten“ zu viel. Makaber wird das Ganze, wenn zwei Häuserblocks weiter „White Castle“ und „Hooters“ ihre Schleichwerbung platzieren.

Letztendlich muss der mündige Spieler natürlich für sich selbst entscheiden, in wie fern Gewaltdarstellungen solcher und ähnlicher Art für ihn persönlich mit einem spielspaßfördernden Mehrwehrt verbunden sind. Unser subjektives Empfinden läutete während des gesamten Spielverlaufs jedoch mehrfach seine Alarmglocken, wenn die Grenzen des guten Geschmacks mal wieder überschritten wurden. In jedem Fall sind Inszenierung und die Darstellung von Brutalität mit weitem Abstand die bedeutendste Variable, die Homefront ins Rennen schickt, um sich von der harten Genrekonkurrenz abzuheben. Spielerisch kommt der Titel nämlich nicht über die Qualität eines 08/15-Shooters hinaus. Doch dazu mehr auf der nächsten Seite.

15.03.2011 : Michael Keultjes