Kinect: Special: Die Zukunft beginnt... jetzt?

Wenn in Pressemeldungen Ankündigungen erklingen, wie sie in etwa im Vorfeld der Pressekonferenz von Microsoft auf der E3 gemacht wurden, in denen Wörter wie „historische Bedeutung“ en masse ihren Platz finden, ist man als Fan hellauf begeistert. Allerdings meldet sich dann bei mir immer das skeptische Teufelchen. Zu oft wurden ähnlichen Formulierungen für Dinge verwendet, die sich im Nachhinein als Hoax rausgestellt haben.

Doch im Fall von "Projekt Natal" hat Microsoft wohl nicht übertrieben. Das Projekt stellt wohl die einschneidenste Änderung auf der Xbox 360 seit dessen Bestehen dar, wenn nicht sogar seit Beginn der neusten Konsolengeneration. Doch spätesten seit Lenin, sollte jedem klar sein, dass Revolutionen nicht immer nur Vorteile bringen können. Nehmt euch ein wenig Zeit und geht mit mir auf eine kleine gedankliche Reise in die Zukunft unserer geliebten weißen Box.



Das Wörtchen „Revolution“ durften wir in Vergangenheit vor allem in Nintendos Kreisen hören. So hörte nicht nur Nintendos Lady im Entwicklungsstadium auf diesen Namen, sondern vor allem deren Steuerung per Wiimote und Nunchuk sorgte für das bekannte revolutionäre Spielgefühl. Doch was ist nun davon übrig? Sind es nicht doch im Enddefekt die guten alten Bewertungsmuster, die ein Spiel gut oder schlecht machen. Sind die Wiimote und der Nunchuck nicht der größte Blender überhaupt? Denn nach einer Revolution wird der veränderte Umstand doch zur Realität. Dann werden wieder alte spielerische Stärken und Schwächen zu Tage gefördert und das Neue hat sich zu bewähren.

Was hat denn Microsoft nun gemacht? Dem Vorbild von Nintendo, haben sie „beyond“ gedacht und deren Prinzip der interaktiven Steuerung mehrere Male potenziert. Die Steuerung ist nicht das Gamepad, keine Fernbedienung, kein Nunchuck, nein, du bist der Controller. Der Vorstandvorsitzende von Sony, Kazuo Hirai, sagte einmal: „Es ist schwer über Nintendo zu reden, da wir sie nicht als Konkurrenten betrachten. Sie arbeiten in ihrer Welt und wir in unserer.“Microsoft war intelligent genug, das nicht so zu sehen. Im Gegenteil, sie treten ein in die Welt von Nintendo und stürmen mit Projekt Natal den Olymp der Casual Gamer.






Doch bringt dies nur Vorteile mit sich? In Deutschland reden wir oft von Schere zwischen arm und reich. Was ist mit der Schere zwischen Casual und Core Gamer? Steven Spielberg erklärte, dass viele Menschen nicht mit dem Gamepad aufgewachsen sind und keinen Zugang zu diesem Medium haben. Doch bei mir ist das nicht der Fall. Dieses „Medium“ begleitet mich schon mein ganzes Leben lang und hat mich wie kein zweites geprägt. Darf ich irgendwann nicht mehr entspannt auf der Couch liegend ein Runde Street Fighter 4 zocken, sondern muss meinen weißen Kimono und den schwarzen Gürtel rausholen und vor dem Fernsehen mit voller Power meinen virtuellen Partner verkloppen? Welche Spiele werden dann den Weg auf die Konsole finden? „Mein Ponyhof 360“? In dem die ganze Familie die Rollen von Ponys in den verschiedensten Farben annehmen und auf saftigen Wiesen herum trollen darf. Wir werden sehen. Es ist zwar eher unwahrscheinlich, dass Microsoft die Core Gamer vergessen wird, wie es laut vieler Fachmeinungen nach Nintendo tat, aber dies ist ja lediglich eine gedankliche Reise.

Zu meiner größten Sorge gehört jedoch die technische Umsetzung. Bitte versteht mich nicht falsch. Das Szenario, welches sich bei der Pressekonferenz bei der Ankündigung von Projekt Natal abgespielt hat, wirkte auf mich so unwirklich fantastisch im Sinne von „wenn das funktioniert, wäre das der Hammer“, dass ich meine Vorfreude kaum in Worte fassen konnte. Vor allem bei der Präsentation der Techdemo von Peter Molyneux‘ Studio Lionhead stockte mir der Atem. Die Spielerin redete mit ihrem virtuellen Partner, wie mit einer normalen Person. In einer anderen Szene, in der sie mit ihren Händen im Wasser planschte, spiegelte sich ihr reales Aussehen im Wasser wieder. Am Ende zeichnete sie ein reales Bild, welches sie in Echtzeit an ihren virtuellen Partner übergab, welcher es einwandfrei identifizieren konnte. Solche Szenen lassen Visionen entstehen. Was da so alles möglich wäre? Doch dann meldet sich wieder die Skepsis, die mich in Vergangenheit eines Besseren belehrte. Die Behäbigkeit der WiiMote und deren Delay oder die Einführung von PlayStation Home, um nur zwei Beispiele zu nennen. Ich hoffe Microsoft macht es richtig und nicht so, wie bei der Sprachsteuerung von Windows Vista, die wirklich eine beispiellose Katastrophe ist.






Es spricht aber vieles dafür, dass das ganze gelingen wird. Nicht zuletzt, da man mit Steven Spielberg und Peter Molyneux zwei Visionäre mit ins Boot geholt hat, die sicherlich keine halbgaren Titel abliefern werden. Glauben, Hoffen, Freuen, die Zukunft beginnt noch nicht jetzt, aber bald.


Alexander Schäfer
02.06.2009 : Matthias Brems