Forza Motorsport 4: Exklusiv-Interview Teil 2: Dan Greenawalt über Strecken, Lizenzen und Trackeditor

Nachdem wir uns im ersten Teil unseres exklusiven Interviews mit Dan Greenawalt der neuen Fahrphysik und dem Reifenmodell gewidmet haben, geht es nun um die Strecken in Forza Motorsport 4. Wie kommen die Strecken ins Spiel, wie realistisch sind sie? Wir haben Dan gefragt und er hat uns ausgiebig geantwortet.

"Dan, wir möchten nochmal auf die Strecken in Forza 4 zu sprechen kommen. Bereits in unserem Video-Interview vom Juni hast du uns grob erklärt, wie die Tracks ihren Weg ins Spiel finden. Könntest du das nochmals etwas genauer beschreiben?"

"Sicherlich. Wie ich bereits erwähnte, gehen wir auch bei den Strecken sehr technisch vor. Wir benutzen GPS-Transceiver, die bis unter einen Zentimeter genaue Daten liefern und laufen bzw. fahren die Strecken insgesamt dreimal damit ab – auf der linken Streckenseite, der rechten und der Mitte des Tracks. Somit erhalten wir eine perfekte digitale Kopie der gesamten Strecke mit allen Steigungen, Senken und Bodenwellen. Darüber hinaus können wir mit dieser Art der Streckenvermessung auch feststellen, ob der Track an einer bestimmten Stelle zu einer Seite hängt oder andere charakteristische Merkmale aufweist."



"Das heißt also, was euch dann schlussendlich vorliegt, ist eine sehr genaue Kopie des echten Streckenverlaufs. Aber damit ist es ja noch nicht getan. Wie geht es dann weiter?"

"Stimmt, unsere aufgezeichneten Daten betreffen nur den Streckenverlauf. Um die Tracks dann auch wie die Originale aussehen zu lassen, nutzen wir Satellitendaten, Luftaufnahmen und eigene Fotos und Videos, die unsere Leute vor Ort machen. Diese nehmen wir dann als Vorlage, um die Strecke möglichst genau zu rekonstruieren. Das Ergebnis des Teams sind dann in der Regel sehr beeindruckend aus (lacht)."

"Okay und das war es dann? Ist die Strecke dann bereit für das Spiel?"


"Nein noch lange nicht. Wenn wir eine erste Version der Strecke fertig haben, laden wir verschiedene ortskenntliche Profi-Rennfahrer ein und lassen sie hunderte von Runden fahren. So ein Rennfahrer nimmt eine Strecke ganz anders wahr als wir Zuschauer. Er kennt jede markante Stelle wie Bodenwellen oder bestimmte Markierungen. Wenn beispielsweise in Le Mans ein besonders charakteristischer Baum am Streckenrand steht, den die Piloten bspw. zur Orientierung der Bremszone nutzen, dann ist eben dieser Baum auch in unserem Spiel an genau derselben Stelle vorhanden. Wir sorgen dafür, dass solche Punkte immer mit der Realität übereinstimmen. Auch für Forza 4 haben wir alle Strecken nach diesen Gesichtspunkten überarbeitet. Uns interessierte dabei nicht so sehr, ob an dieser oder jener Stelle jetzt eine Vodafone-Werbetafel anstatt einer von DHL hängt oder ob es eine neue Achterbahn am Streckenrand gibt, wir konzentrieren uns mehr auf die für den Fahrer wichtigen Gesichtspunkte und was das angeht, ist Forza 4 zu 100% authentisch."



"Du sprichst gerade den Nürburgring an. Wieso verwendet ihr im Spiel nicht die Formel1-Variante der NGK-Schikane sondern die so genannte 'Motorrad-Version'? Diese Frage wird übrigens auch gerade in unserem Forum heftig diskutiert."

"Brian sagte mir bereits, dass ihr Nürburgring-Experten seid und hat mich schon „vorgewarnt“ (lacht). Wie du weißt, nutzen nicht nur Motorräder sondern auch viele Langstrecken- und Sportwagenrennen diese Variante und wir waren der Meinung, sie passt einfach hervorragend zu unserem Spielkonzept."

"Wenn ihr eine neue Strecke in Forza integriert, wie geht das dann von Statten? Wählt ihr das einfach aus und dann geht’s los?"

"Wenn das so einfach wäre, hätten wir bereits viel mehr Strecken im Spiel. Nein, so simpel ist das leider nicht. Was viele nicht wissen: alle Rennstrecken der Welt sind rechtlich geschützt. Es gibt Strecken wie Spa zum Beispiel, die sich seit Jahrhunderten in Familienbesitz befinden. In einem solchen Fall muss man erst einmal den Besitzer der Strecken ausfindig machen, was unter Umständen schon Monate dauert. Hat man diese dann gefunden, muss man ihnen erst einmal erklären, was man eigentlich möchte. Diese Leute sind keine Videospieler… sie haben oft keine Ahnung von solchen Geschäften und dementsprechend auch wenig Interesse. Ist man dann soweit, dass die Kommunikation steht, schicken wir ihnen per Post eine Lizenzvereinbarung, die dann vielleicht erst einmal zwei Monate unbeachtet bleibt und dann -nach einem erneuten Anruf von uns- erst einmal zu einer Überprüfung an den Familien-Rechtsanwalt weitergeleitet wird. Der benötigt dann wieder einige Monate und so weiter und so weiter. Im Extremfall kann es vom ersten Gespräch bis zur fertigen Strecke im Spiel ein Jahr und länger dauern. Einmal war der Besitzer einer Strecke ein in Monaco lebender Playboy, der sich eigentlich nur noch um die „angenehmeren Dinge des Lebens“ zu kümmern hatte… ihr könnt euch denken, was solche Leute dann sagen wenn man sie fragt, hey wir sind von Microsoft und möchte eine Lizenz, um ihre Rennstrecke in ein Videospiel einzubauen."

"Aber ihr seid doch nicht die ersten, die nach einer solchen Lizenz fragen. Andere Rennspiele sind doch voll mit echten Rennstrecken."

"Tja, was soll ich nun darauf antworten. Also… ich möchte keine Namen nennen aber ich weiß, dass es viele Titel in diesem Genre gibt, deren Entwickler oder Publisher nicht über die nötigen Lizenzen der im Spiel vorhandenen Strecken verfügen. Das ist Fakt … und das ist streng genommen illegal. Wenn sie das so machen wollen, ist es ihr Ding aber wir sind Microsoft und wir können es uns nicht leisten, wegen so etwas verklagt zu werden. Und Multi-Millionen-Dollar Unternehmen wie Microsoft werden ja sehr gerne verklagt, egal ob berechtigt oder nicht."

"Das ist verständlich. Habt ihr eigentlich einmal an einen Streckeneditor gedacht? Wäre das nicht eine Möglichkeit, Forza noch mehr Tiefgang zu verleihen?"


"Natürlich haben wir schon die Möglichkeiten eines Strecken- oder auch Fahrzeugeditors erörtert und wir haben sehr viel Zeit damit verbracht, zu entscheiden, ob so etwas in Forza Motorsport Sinn macht oder nicht. Wir wissen, dass wir eine sehr kreative und begabte Community haben und viele von ihnen würden sicherlich Tage und Wochen damit verbringen, Autos und Strecken zu konstruieren aber in Forza Motorsport dreht sich eigentlich alles um Realismus. Sicher haben wir Strecken wie den Bernaise-Alps-Track um zu zeigen, was die 360 so kann aber im Grunde genommen dreht sich doch alles um echte Autos und echte Strecken. Wir denken nicht, dass ein Wagen, nennen wir ihn mal „XboxFRONT GT-Konzept Car“, sehr erfolgreich wäre, auch wenn er noch so toll aussehen und sich perfekt fahren lassen würde. Ebenso verhält es sich bei den Strecken. Die Leute würden nach kurzer Zeit bekannte Autos und Streckenlayouts nachbauen und ich denke du weißt schon was jetzt kommt… das ist illegal. Wir müssten also ständig den von unserer Community im mühsamer Kleinarbeit erstellten Content überwachen und gegebenenfalls löschen. Aus diesen Gründen haben wir uns dagegen entschlossen."

"Was die 360 so alles kann - ist ein gutes Stichwort. Was kann die 360 denn noch alles? Forza Motorsport 2 war euer erstes Spiel auf der 360, wieviel Forza 2-Code steckt noch in der jetzigen Engine?"

"Oh, es steckt noch eine Menge von Forza Motorsport 2 in neuen Teil. Im Grunde macht man bei einer Weiterentwicklung auf derselben Plattform nichts weiter, als den Code zu optimieren. Seit Anfang 2007, als die technische Entwicklung von Forza 2 abgeschlossen war, haben wir also so gesehen nichts weiter gemacht, als unseren Code zu optimieren und frei gewordene Ressourcen dafür zu verwenden, das Spiel besser aussehen zu lassen. Wenn man Forza 2 mit Forza 4 vergleicht, wirkt es fast wie eine neue Hardware, es ist aber ein und dieselbe Plattform. Die Technologie in der Softwareentwicklung aber auch das Know-How unserer Techniker schreiten sehr schnell voran und das ermöglicht uns so tolle Grafiken oder die Verdoppelung der Fahrzeuge auf der Strecke."

Noch eine letzte Frage: In den derzeitigen Videos waren keine Zuschauer an den Strecken zu sehen. Ist das generell so?

"Was man bislang zu sehen bekam, waren nur Trainingsrunden. Wenn man ein richtiges Karriere- oder Multiplayer-Rennen fährt, sind natürlich auch Zuschauer an der Strecke und auf den Tribünen."


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22.08.2011 : Matthias Brems